Turbulente Politik zu Schuberts Zeiten

Um Schuberts Leben und sein Werke, in die viele von seinen persönlichen Gefühlen und Erfahrungen einflossen, besser nachzuvollziehen, muss man sie im geschichtlichen Kontext anschauen. Schubert lebte zur Zeit des Übergangs von der Epoche der Klassik zur Epoche der Romantik. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebten aufklärerische, reformerische Gedanken grossen Anklang bei der Bevölerung; Freiheit, Gerechtigkeit und Machtaufteilung wurden immer stärker gefordert und Unruhen nahmen zu. Dies gipfelte 1789 in der Französischen Revolution. Auch in Österreich fanden Veränderungen statt: Zu dieser Zeit regierte Kaiser Joseph II, der viel liberaler war als seine Vorgänger. Kloster wurden aufgelöst, die Leibeigenschaft abgeschafft, eine Schulpflicht eingeführt und die Wirtschaft gefördert. Das führte zu einer Blütezeit des Landes, wodurch Musik, Kunst und Wissenschaft gefördert wurden – es war die Zeit der Musikepoche Wiener Klassik, einer Musik die nach Ruhe, Ordnung, Klarheit und Harmonie strebte.

Die Nachfolger von Kaiser Joseph II sorgten jedoch für eine Wiedererrichtung des vorhgerigen feudalen Herrschaftssystems, weg von den Reformen. Gleichzeitig wurde Österreich von der Kriegsführung von Napoleon Bonaparte, der sich 1804 selber zum Kaiser krönte, bedroht. Auch in anderen Ländern wurden Kriege geführt, was die ganze Lage Europas unsicher erscheinen liess. Gegen mögliche neue Revolten wurde scharf vorgegangen, was das die Revolutionsangst dieser Zeit zeigte. Durch die Französische Revolution waren aber neue Sichtweisen in den Leuten aufgekommen, die bestehende Situation zu kritisieren und nicht mehr hinzunehmen. Mit diesen Konflikten entstand die Epoche Romantik, die für Individualität, Subjektivität, Phantasie und Träume stand, was auch als Flucht aus der Realität verstanden werden kann.

Schubert lebte also in einer Zeit voller Revolutionen, Eroberungskriegen, wechselnden politischen Kursen und der Zensur. Dies beeinflusste ihn auch und spiegelte sich in seiner Musik wieder.

 

 

 

 

 

 

 

Die Winterreise – politische Deutung

Eines der bekanntesten Werke von Franz Schubert ist „die Winterreise“, ein Liederzyklus aus 24 Liedern für Singstimme und Klavier. Beim Text handelt es sich um den gleichnamigen Gedichtband vom Romantiker Wilhelm Müller, der Schubert stark ansprach und den er 1827, ein Jahr vor seinem Tod, vertonte.

„Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh’ ich wieder aus“ – so beginnt das erste Lied der Winterreise („Gute Nacht“), in der es um einen einsamen Wanderer geht, der nach einer enttäuschten Liebe mitten in die Winternacht aufbricht; ohne Hoffnung und ohne Ziel, wohin es gehen soll. Doch es fällt ihm nicht leicht, alles hinter sich zu lassen, immer wieder blickt er zurück auf schönere, vergangene Zeiten und wandert vom einen Gefühlsextrem ins andere. In der winterlich erstarrten Landschaft sieht er ein Abbild seiner Seele. Diese Zeilen lehnen sich wohl auch an Müllers eigene Erfahrungen an, in Erinnerung an seine enttäuschte Liebesbeziehung: Während des Befreiungskrieges gegen Napoleon gehörte seine Geliebte zum feindlichen politischen Lager, weshalb Müller sehr unehrenhaft aus der Armee entlassen wurde.

Doch die Winterreise kann nicht nur als Liebesdrama verstanden werden, sondern auch als politische Kritik. Nicht nur Schubert lebte als freischaffender Künstler ohne feste Anstellung, auch anderen Künstlern ging es damals so, was an den unsicheren Kriegszeiten lag. So wurde der Konkurrenzdruck enorm erhöht, was ihnen zu Schaffen machte. Neben diesen schwierigen Lebensumständen handelt der Liederzyklus von anderen zeittypischen Themen: Etwa die enttäuschte Hoffnung auf Freiheit und einen liberalen Nationalsstaat. Diese schlechte wirtschaftliche oder auch gesellschaftliche Sitation wird durch die kritischen Texte aufgezeigt. Dazu werden sie aber durch die Vertonung noch verstärt, indem besonders wichtige Stellen musikalisch hervorgehoben werden, so dass sie nicht nur auffallender oder einprägsamer sind, sondern auch das Gefühl eines Missstandes erwecken.

Nach heutigen Deutungen der Winterreise hat Schubert mit dieser Hervorhebung gewisser Zeilen ganz gezielt Kritik am herrschenden, konservativen System ausgeübt. Der Winter sei beispielsweise eine Metapher für die Politik der Restauration in Österreich gewesen, die das alte feudale Herrschaftssystem wiedererrichten wollte und gegen die Reformen vorging. Die kritischen Texte von Wilhelm Müller waren 1822 verboten worden, doch Schubert besorgte sie sich illegal. Er gehörte zur Opposition und diente durch seine musikalische Begabung so auch als dessen Sprachrohr, denn eine weitere Deutung besagt, dass in der Winterreise auch die Musik als „heilige Kunst“ gefeiert wird, die die revolutionären Ideen bewahre.

Hier das erste Lied der Winterreise: „Gute Nacht“, in dem der Wanderer in die kalte Winternacht hinausgeht und sich so auf seine verlassene Reise begibt. Die melancholischen Moll-töne wechseln sich mit Teilen in Dur ab, was gut zu seinen schwankenden Gefühlen passt.

 

Leben und Laufbahn

Franz Peter Schubert wurde am 31. Januar 1797 in Wien geboren und starb dort um 1828 – im Alter von 31 Jahren. Das Überraschende daran ist, dass der Komponist in seinem kurzen Leben ein enormes Werk schuf: Rund 600 Lieder, sieben vollendete und fünf unvollendete Sinfonien, verschiedene Chormusik, Ouvertüren, Bühnenwerke sowie Klavier- und Kammermusik. Heute gilt er als einer der bedeutendsten Vertreter der frühen Romantik in der Musik, wenn auch seine Beliebtheit zu Lebzeiten eher begrenzt war…

Schuberts Leben war, im Vergleich zu anderen grossen Komponisten, nicht gerade reich an grossen Ereignissen, Verlegerrekorden oder Berühmtheit; er führte ein recht unauffälliges Leben abseits der Öffentlichkeit. Da er meist keine feste Anstellung hatte, war sein Leben von Geldnot geprägt; ansonsten wurde er von Freunden und Gönnern finanziell unterstützt.

Schon von klein auf lebte er in einem sehr musikalischen Umfeld. Sein Vater lehrte ihn, Violine zu spielen, und im Alter von elf Jahren wurde er wegen seinem Gesang in die Wiener Hofmusikkapelle und in den kaiserlichen Konvikt aufgenommen. Er genoss also eine hohe Bildung und lernte dort auch viele seiner späteren Freunde kennen. Seine Schulischen Leistungen verschlechterten sich jedoch, so dass er 1913 vom Konvikt nach Hause zurückkehrte. Etwas später arbeitete er zwei Jahre jang als Schulgehilfe seines Vaters, der Lehrer war, doch seine Lehrertätigkeit wurde zunehmend unvereinbar mit seiner schon grossen Produktivität als Komponist. Die Verlage lehnten aber seine zahlreichen Versuche, seine Werke zu veröffentlichen ab. Nach weiteren Misserfolgen, wie als Kapellmeister eine Anstellung zu erhalten, verliess er schliesslich seine Lehrerstelle und zog für 8 Monate zu dem Dichter Franz von Schober, den er über seinen Freund Joseph von Spaun kennen gelernt hatte. Dort nahm er sich mehr Zeit, um zu komponieren, und es entsanden etliche Werke. Später gab er zwei mal einen Sommer lang Gesangs- und Klavierunterricht auf dem Landsitz des ungarischen Grafen Johann Carl Esterhàzy, sonst aber blieb er immer Berufskomponist ohne geregeltes Einkommen.

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Franz Schubert am Klavier mit seinem Freundeskrei

Während diesen Jahren weitete sich Schuberts Freundeskreis weiter aus. So wurde er mit Dichtern und Musikern bekannt gemacht, wie etwa mit dem wichtigen Hofsänger Johann Michael Vogl, der Schuberts Lieder dann bald in literarischen Salons sang und so der Öffentlichkeit vorstellte. Die bürgerliche Familie Sonnleithner veranstaltete zu seinen Ehren private musikalische Treffen, an denen Schuberts Werke aufgeführt wurden (siehe Bild unten). Ab 1821 als Schubertiaden bezeichnet, gibt es sie in anderer Form noch heute.Nach einigen Jahren von sich abwechselnden, kleineren Erfolgen und Misserfolgen erkrankte Franz Schubert schliesslich an Syphilis und starb am 19. November 1828.

 

Bildergebnis für schubertiade
Eine Schubertiade